I racconti del Premio Energheia Europa

Wir beide, Veronika Köster

Erwhähnen Preis Energheia Deutschland Award 2025

Über den Teil von mir, gegen den ich scheinbar machtlos bin
Ich hab dich gesehen, wie du in der prallen Sonne standst, zitternd und verschwitzt. Drei Jahre ist
das jetzt schon her – oder vier? Eine lange Zeit jedenfalls, für uns beide. Für mich, weil ich die
Maske niemals abnehme und für dich, weil du die Maske bist.
Ich hab dich getragen, die ganze Zeit vom warmen Schatten in die heiße Sonne und du hast oft
geweint und oft gefroren. Aber bedankt hast du dich nie, nur wie leid es dir tut, hast du mir gesagt,
immer und immer wieder, als würdest du es selbst nicht glauben, aber mehr wollen, als alles andere.
Vielleicht hast du vergessen, wie glücklich ich war, bevor ich dich kennen lernte, wie frei. Oder
vielleicht hast du es verdrängt, sowie alles und jeden um uns herum.
Wir passen gut zusammen, du und ich, du der Klotz am Bein und ich der schwache Besiegte, der
ihn hinter sich herschleift.
„Der schwache Besiegte“, wenn es doch so einfach wäre. Nein, ich bin nicht besiegt, noch nicht.
Ich lasse es nur so aussehen, weil es einfach ist und weil ich mich so fühle, aber ich bin noch nicht
besiegt.
Und du magst dunkel und schwer sein, die Maske und der Klotz am Bein, aber es steht mir doch
frei, in die Maske Löcher zu schneiden und den Klotz zu teilen und zu tragen.
Ja, es steht mir frei, ich stehe frei, auf eigenen Füßen und mit Sicherheit hab ich dies alles selbst
verschuldet als ich, aus Angst nicht das Richtige zu tun das Falsche tat und dich meinen Freund
hieß, dich, der du immer alleine bist.
Ich erinnere mich nicht mehr genau an den Tag, als ich dich zum ersten Mal sah, aber ich weiß
noch, wie du gezittert hast und wie die flirrende Hitze dir Tränen in die Augen trieb, weil du so
allein warst. Ich ging zu dir, weil ich törichterweise dachte, dir helfen zu können, oder vielleicht,
weil auch ich allein war und Angst hatte, du seist die einzige, die ich je lieben könnte. Und du hast
mir zugelächelt und nahmst mich in die Arme und ich spürte dein Zittern und die pulsierende Kälte,
die in all den Jahren dein einziges Geschenk an mich gewesen ist. Ich lag in deinen Armen, aber
wir waren beide allein und deshalb unzertrennlich. Wir stürzten zu Boden und da bemerkte ich, dass
ich deine Beute war, von Anfang an.
Ich stand auf und half dir auf die Beine und mir wurde klar, dass wir nicht zusammen gehen
würden, niemals. Entweder, ich würde dich von nun an tragen, oder ich müsste dich für immer
verlieren und wir wissen beide, dass ich das jetzt noch nicht kann. Aber vielleicht werde ich es
irgendwann können, hoffentlich bald. Dann lasse ich dich im Staub zurück, lasse dich fallen um
aufrecht stehen zu können, bevor wir beide allein in der Sonne erfrieren.